Wer schon einmal bei einem Theaterstück mitgewirkt hat, der wird um das Textlernen nicht herum gekommen sein. Theaterarbeit ist harte Arbeit, das gilt insbesondere für den eigenen Text. Wir haben für euch einige Techniken zusammengestellt, mit welchen die Arbeit des Textlernens schneller, effizienter, einfacher und abwechslungsreicher gestaltet werden kann. Weil alles einfacher mit Beispielen ist, sollen auch hier die Techniken anhand von Beispielsätzen veranschaulicht werden.
Assoziations-Technik
Bei der ersten Technik wird der Text gewissermaßen lebendiger, farbiger und greifbarer. Es geht darum, Assoziationen zu erstellen, um sich die einzelnen Textteile besser einprägen zu können. Dabei kann man sich zu einem Satz ein passendes Bild vor Augen führen.
Für Beispielsatz Nummer 1 kann man sich eine nur spärlich beleuchtete Bühne vorstellen, eine alte Bühne, gewissermaßen aus der Vergangenheit. Ein Scheinwerfer wandert auf der Bühne umher, sodass es aussieht, als suche sich das Licht einen Weg durch ein Labyrinth aus Schatten. Der Bühnenboden ist mit einem Muster bemalt, ähnlich wie bei einem Kaleidoskop.
Beim Aufsagen des Satzes kann man sich dann das Bild vorstellen und sich an den einzelnen Elementen entlang hangeln.
Wiederholungs-Technik
Für Beispielsatz Nummer zwei wenden wir die Wiederholungs-Technik an. Diese Methode ist eigentlich selbsterklärend, es wird der Satz immer wiederholt, solange bis er sitzt. Dennoch sollte darauf geachtet werden, dass der Text-Teil, der zu wiederholen ist, nicht zu groß wird. Man beginnt mit dem ersten Teilstück, z.B. „Hier, in den verborgenen Ecken des Unsichtbaren“. Das wird immer wieder wiederholt, immer und immer wieder.
Klappt das einigermaßen, wird das Gleiche für den nächsten Teil angewandt und so weiter. Wichtig an dieser Stelle ist, dass die Wiederholung nicht nur innerhalb eines Tages, also einer Lerneinheit, stattfindet, sondern auch über mehrere Tage und Wochen hinweg. Täglich werden Textfetzen geübt und immer mehr Einzelteile werden zusammengefügt und gelernt und wiederholt und wiederholt und noch mal wiederholt. Ganz besonders schwierige Passagen erfordern besonders viele Wiederholungen.
Variations-Technik
Kommen wir zur Variations-Technik, einer Methode, die Abwechslung in das Lernen bringt. Der Beispielsatz kann einfach im Sitzen aufgesagt werden. Anschließend kann der Satz aber auch im Stehen oder im Gehen geübt werden. Im nächsten Schritt wird der Satz als Melodie gesungen, danach ganz monoton vor sich hin gemurmelt. Es folgen Sprechübungen des Satzes mit hoher und tiefer Stimme, mit gespielter guter und schlechter Laune, mit viel Energie und gelangweilt.
Das ganze kann nicht nur zu Hause durchgeführt werden, sondern auch im Alltag. Übe den entsprechenden Textteil auf dem Arbeitsweg, unter der Dusche, beim Abendessen oder Kochen, beim Sport, bei was auch immer dir einfällt. Hauptsache, der Text begegnet dir in vielfältigen Situationen, sodass er immer besser hängen bleibt.
Freigeist-Technik
Mit der Freigeist-Technik ist es möglich, sich von dem Text etwas zu lösen. Meist ist es nicht notwendig, den zu lernenden Satz eins zu eins einzustudieren. Deshalb ist es sinnvoll, sich den Sinn einzuprägen, was ist die Kernaussage des Satzes oder des Absatzes? Worum geht es ganz grob, ohne ins Detail zu gehen? Stelle dir diese Frage bspw. für den vierten Beispielsatz. Worum geht es?
Bei Sprache vermischen sich Traum und Wirklichkeit, es vermischen sich Realität und Fantasie. Das Schauspiel spielt sich an einer magischen Grenze ab, an einem Abgrund nahe einer Klippe. In diesem Abgrund sind die Worte der Sprache zu Hause, weil sie keinen festen Boden unter den Füßen brauchen, sondern in einem leeren Raum tanzen.
Ist dir einmal klar geworden, was der Satz wirklich aussagen will, dann fällt es dir viel leichter, den Satz auswendig zu lernen. Und sollte es nicht funktionieren, auf Anhieb den Satz genauso aufzusagen, dann ist es dir immer noch möglich, den Kerninhalt wiederzugeben, ohne den genauen Wortlaut zu nutzen.
Salami-Technik
Ein Satz besteht bekanntlich aus Subjekt und Prädikat, im einfachsten Falle so etwas wie „ich gehe“. Mit Adjektiven, Adverbien, Konjunktionen, Ausrufen, Nebensätzen, Gedankenstrichen usw. kann sich ein Satz jedoch auch zu einem monströsen Konstrukt aufblähen, so wie das beim Beispielsatz hier der Fall ist. Dann ist es besonders wichtig, den Überblick zu behalten und den Satz in seine Bestandteile zu zerlegen. Wie wenn man eine Salami (oder ein Stück Käse für die Vegetarier) in Scheiben schneidet, kann man auch einen Satz aufteilen. Für das Textlernen beginnt man mit dem Kern und lässt zunächst alles andere weg:
Gedanken, die sich dem Gedächtnis entziehen und dennoch haften bleiben.
Zunächst wird nur dieser kurze Teil eingeübt, bis er sitzt. Erst danach wird der Satz erweitert:
Ein Reigen von Gedanken, der sich dem Gedächtnis entzieht, wie Nebel, und dennoch haften bleibt.
Sitzt auch das, folgt die nächste Erweiterung:
Ein Reigen von Gedanken, der sich dem Gedächtnis entzieht, wie Nebel, der sich zwischen den Synapsen verliert, und dennoch bleibt ein Dialog haften, jenseits der greifbaren Vernunft.
Noch ein Schritt und der ganze Satz kann sicher aufgesagt werden:
Ein abstrakter Reigen von Gedanken, der sich dem Gedächtnis entzieht, wie Nebel, der sich zwischen den Synapsen verliert, und dennoch bleiben die Fragmente eines unergründlichen Dialogs haften, ein Echo aus einer Welt jenseits der greifbaren Vernunft.
Los geht’s!
Wenn du demnächst mal wieder einen Text auswendig lernen willst oder musst – sei es beim Theaterspielen, bei einer Moderation, bei einer Rede oder bei einer Präsentation – dann suche dir eine Technik heraus und teste diese. Beim nächsten Mal nutzt du vielleicht eine andere und irgendwann hast du die Techniken ausgemacht, die für dich gut funktionieren, sodass du letztendlich mit mehr Freude und Effektivität an das Textlernen gehen kannst. Hier nocheinmal die 5 Techniken im Überblick:
- Assoziations-Technik
- Wiederholungs-Technik
- Variations-Technik
- Freigeist-Technik
- Salami-Technik